Hebung der Gebeine von Frater Eustachius Kugler

In Vorbereitung auf die Seligsprechung im Oktober sind am 1. Juli die Reliquien von Frater Eustachius Kugler überführt worden.

Feierlicher Akt. Bischof Gerhard Ludwig Müller versiegelte gestern den Eichenholzsarg mit den sterblichen Überresten Eustachius Kuglers. Foto von altrofoto.de Regensburg. Es ist eine schweißtreibende Angelegenheit. Den Steinmetzgesellen ist die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Nicht nur, dass sie eine fast tonnenschwere Steinplatte möglichst zügig entfernen sollen. 30 Augenpaare verfolgen jeden einzelnen Handgriff von ihnen. Der Bischof, der Generalvikar, Notare und Protokollanten, Ärzte und Barmherzige Brüder haben sich in der Eustachius-Kugler-Kapelle des Regensburger Krankenhauses des Ordens eingefunden, um dabei zu sein, wenn der Sarg eines künftigen Seligen gehoben wird. „Recognitio canonica“ nennt die Kirche das außergewöhnliche Ereignis.

Feierlicher Akt: Bischof Gerhard Ludwig Müller versiegelte gestern den Eichenholzsarg mit den sterblichen Überresten Eustachius Kuglers. Foto: altrofoto.de

Feierlicher Akt: Bischof Gerhard Ludwig Müller versiegelte gestern den Eichenholzsarg mit den sterblichen Überresten Eustachius Kuglers. Foto: altrofoto.de

Der Stein ist weggerollt. In der Tiefe wird ein schwarzer Holzsarg sichtbar. Schlicht, nur von einem Kreuz geschmückt. Seile werden in die Grube gelassen. Ein junger Mann befestigt sie am Sarg. Wenige Augenblicke später hebt er sich. Langsam gleitet der Sarg nach oben. Es ist die Umkehrung einer Szene, die jeder vor Augen hat. Hier wird nicht ein Verstorbener der Erde übergeben, damit er wieder zum Staub werden kann. Was sich hier ereignet, ruft österliche Bilder wach. Ein Grab öffnet sich. Ein Toter wird aus der Tiefe geholt. Ein Toter freilich, der im Bewusstsein der Menschen nie gestorben ist: Eustachius Kugler, von dem die Kirche am 4. Oktober offiziell bekennen wird, dass sie ihn in der Herrlichkeit Gottes weiß.

Während der Sarg aus der Kapelle getragen wird, stimmen die Anwesenden einen Psalm an. „Du führst mich hinaus ins Weite, du machst meine Finsternis hell“ singen Prälaten und Advokaten, der Bischof mit dem Weihbischof, der Provinzial mit den Brüdern. Der Oberhirte weist den Sargträgern den Weg, achtet darauf, dass keiner stolpert. Vier Tische, bedeckt mit weißen Tüchern sind vor dem Altar der St. Pius-Kirche vorbereitet. Auf einem wird der Sarg abgestellt.

Die Hebung der Gebeine ist bereits der zweite Teil einer Feier, zu der sich etwa 30 Menschen an diesem Freitagmorgen im Regensburger Krankenhaus der Barmherzigen Brüder eingefunden haben. Es ist exakt der 80. Jahrestag der Einweihung der Klinik, für deren Errichtung Kugler so leidenschaftlich gekämpft hatte. Seit dieser Zeit prägt sein Geist das Haus.

So sehr bei dieser Recognitio handwerkliche Tätigkeiten im Mittelpunkt stehen, so ist es doch auch ein liturgisches Geschehen. Im Chorrock hat Bischof Gerhard Ludwig Müller die Feier eröffnet, um eingangs an die Bedeutung der Heiligen zu erinnern. Betend bringt er zum Ausdruck, wie sehr die Kirche irdische Realität mit der himmlischen verbunden weiß.

Die Anwesenden sind an diesem Tag Zeugen im doppelten Sinne. Sie bleiben nicht nur Beobachter, sondern legen Zeugnis dafür ab, dass alles, was sich hier vollzieht, der Wahrheit entspricht. Sie bürgen dafür, dass es wirklich die sterblichen Überreste des neuen Seligen sind, die an diesem Tag der Gruft entnommen werden. Mit der Hand auf dem Evangelium haben alle Funktionsträger vor dem Bischof beeidet, ihre Aufgabe treu auszuführen: Notare, Zeugen, Mediziner, Handwerker, ja sogar der Fotograf und der Berichterstatter, der das Geschehen filmisch dokumentiert.

Der Bischof selbst übernimmt die Befragung derer, die bereits bei der letzten Übertragung der Gebeine 1982 dabei waren. Frater Donatus Wiedenmann, Frater Bernhard Binder, und Frater Meinrad Ebner bestätigen die damalige Umbettung des Leichnams von der Krypta der St. Pius-Kirche in die neu geschaffene Eustachius-Kugler-Kapelle. Bereits 1956 waren die sterblichen Überreste vom Ordensfriedhof in die Krypta überführt worden. Die Verlesung der Niederschrift von damals bezeugt, mit welcher Genauigkeit jedes Detail dokumentiert wird. Mit derselben Sorgfalt wird nun auch die Öffnung des Sarges vollzogen.

Der Bischof erteilt den Auftrag dazu. Schrauben werden abgedreht, der Sargdeckel gehoben. Hier liegt er nun: der Leichnam Eustachius Kuglers, der vor über 60 Jahren bestattet worden war.

Während die Ärzte mit der zugehörigen Professionalität ihre Arbeit verrichten und die Beauftragten des Bischofs, allen voran der Generalvikar, der Offizial und der Beauftragte für die Selig‑ und Heiligsprechungen, zusammen mit dem Postulator Sorge tragen, dass alles getreu der kirchlichen Ordnung vor sich geht, gibt es eine dritte Gruppe, die schweigend, oft in sich gekehrt das Geschehen verfolgt. Ein eigenartiges Gefühl angesichts eines ganz und gar ungewöhnlichen Geschehens mischt sich mit dem Bewusstsein, Kugler auf diese Weise seltsam nahe zu kommen.

In diesem Wechselbad von Empfindungen ist es gut, dass der Bischof nach zwei Stunden den liturgischen Teil der Identifizierung der Gebeine mit dem Segen und dem Hymnus „Ihr Freunde Gottes allzu gleich“ beschließt. Der liturgische Rahmen stellt vor Augen, wie sehr die Heiligenverehrung in der Begegnung mit Reliquien eine Möglichkeit erkennt, den „Freunden Gottes“ in besonderer Weise nahe zu sein.

Dieser Gedanke prägt dann vor allem den zweiten Teil der Translatio („Übertragung“), zu der sich die kleine Gemeinde knapp 14 Tage später erneut versammelt. Neben Bischof Müller ist diesmal auch Kardinal Péter Erdö, der Primas von Ungarn, gekommen. Die gereinigten Gebeine werden an diesem Tag in den neuen, von dem Künstler Mario Schoßer gestalteten Schrein eingefügt. Der Bischof selbst drückt dem mit roten Bändern umbundenen Sarg sein Siegel auf, bevor er von dem kunstvoll gestalteten Schrein bedeckt wird.

Angeführt von einem Kreuzträger setzt sich die Prozession in Bewegung. Vier Brüder tragen das Reliquiar Kuglers. Begleitet von Litaneien und Gesängen führt der Zug durch das Krankenhaus. Wie oft mag er hier durch die Gänge gelaufen sein, der Provinzial Kugler: Tag und Nacht, immer bemüht, alles Machbare für seine Patienten zu tun. Nun kehrt er dorthin zurück, wo der Ruf seiner Heiligkeit seine Wurzeln hat. Verwundert verfolgen Angestellte und Patienten den seltsamen Zug.

In der Kapelle der Brüder findet die Translatio ihren Abschuss. Am Tag der Seligsprechung wird der Schrein dann im Dom stehen, bevor er in einem Zug durch die Straßen Regensburg zurück in die Krankenhauskirche gebracht wird. Dann wird Eustachius Kugler wieder dort sein, wo er schon vor der Seligsprechung von so vielen als „Du“ erlebt worden war. Freilich mit einem Unterschied. Was viele ahnten, ist von der Kirche bestätigt. Eustachius Kugler lebt.

Max Kronawitter

Geschrieben am 21. August 2009

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