Folgenreicher Sturz vom Baugerüst

Serie zum 75. Todestag des seligen Frater Eustachius Kugler – Teil 1

Vor 75 Jahren, am 10. Juni 1946 verstarb Frater Eustachius Kugler in Regensburg. Aufgrund der anhaltenden Verehrung wurde er am 4. Oktober 2009 in Regensburg seliggesprochen. In einer fünfteiligen Serie erinnern wir an den tiefgläubigen, bescheidenen und tatkräftigen Barmherzigen Bruder, der bis zu seinem Tod 21 Jahre lang als Provinzial die Bayerische Ordensprovinz leitete.

Frater Eustachius Kugler kam am 15. Januar 1867 in Neuhaus, heute ein Ortsteil von Nittenau (Oberpfalz) zur Welt. Seine Eltern waren der Dorfschmied und Kleinbauer Michael Kugler und dessen Ehefrau Anna Maria, geborene Schuster. Noch am Tag seiner Geburt wurde er in der Pfarrkirche von Nittenau auf den Namen Joseph getauft. Kugler wuchs in einfachen Verhältnissen auf und besuchte ab 1873 die Volksschule in Nittenau. Er schloss sie 1881 mit einem sehr guten Zeugnis ab. Auch zur Kirche führte sein Weg zu Fuß ins gut vier Kilometer entfernte Nittenau. In der Zwischenzeit hatte Joseph Kugler im Alter von gerade einmal sieben Jahren seinen Vater verloren. 1880 spendete ihm Bischof Ignatius von Senestrey das Sakrament der Firmung.

Die Eltern von Eustachius Kugler

Bauschlosser in München

Ein neuer Lebensabschnitt begann für Joseph Kugler, als er mit 14 Jahren in München eine Lehre zum Bauschlosser begann. Er wohnte bei seinem älteren Bruder Franz, der in der Hauptstadt des Königreichs Bayern als Postamtsgehilfe arbeitete. Auf dem Bau musste der fromme Schmiedesohn aus der Oberpfalz mit dem rauen Ton seiner Arbeitskollegen zurechtkommen. Auf Weisung seines Chefs konnte Joseph werktags nicht, wie gewohnt, die heilige Messe besuchen. Ein Unfall am Bau war dafür verantwortlich, dass Frater Eustachius Kugler ein Leben lang durch eine Gehbehinderung beeinträchtigt war: Durch einen Sturz vom Gerüst, wahrscheinlich ausgelöst durch den Stoß eines Kollegen, zog er sich einen Bruch am rechten Fuß zu, dessen Wunde trotz eines langen Krankenhausaufenthalts nur notdürftig ausheilte. Wieder einigermaßen genesen kehrte Joseph Kugler noch einmal auf den Bau zurück und konnte wenigstens seine Gesellenprüfung erfolgreich ablegen.

Rückkehr zu seinen Angehörigen

Durch die körperliche Beeinträchtigung war es für Joseph Kugler nicht länger möglich, weiter am Bau zu arbeiten. Er kehrte ins Regental zurück und zog zunächst zu seiner Schwester Margarete, die mit dem Landwirt Joseph Spitzer verheiratet war. Ihnen half er, so gut er konnte, in der Landwirtschaft. Nach dem Tod seiner Mutter 1886 übersiedelte er zu einer anderen Schwester, Katharina, die mit dem Schmied und Schlosser Joseph Reichenberger verheiratet war und in Reichenbach lebte. Joseph Kugler machte sich in dessen Werkstatt als Bauschlosser nützlich. Auch sein religiöses Interesse machte sich weiterhin bemerkbar, indem er im Reichenbacher Gotteshaus, der früheren Benediktiner-Klosterkirche und jetzigen Filialkirche der Pfarrei Walderbach am Sonntagnachmittag und an Feiertagen den Rosenkranz vorbetete. Dies trug ihm den Spitznamen „Klostersepp“ ein.

Schwester Margarete (geboren1856) mit Familie

Schwester Katharina (geboren 1861)

Begegnung mit den Barmherzigen Brüdern

Im Jahr 1890 kamen Barmherzige Brüder nach Reichenbach, um in dem säkularisierten Kloster eine „Pflegeanstalt für Unheilbare“ einzurichten. Nach zähen Verhandlungen mit den Regierungsbehörden erhielt der Orden im Folgejahr die Genehmigung zu deren Errichtung. Joseph Reichenberger hatte mit seinem Gesellen im Kloster viel zu tun, etwa indem sie Fenstergitter und Eisenzäune anfertigten oder Wasserleitungen verlegten. Im Zug dieser Tätigkeit kam Joseph Kugler mit den Barmherzigen Brüdern in Berührung. Fasziniert von ihrem Einsatz für Menschen mit Behinderungen nahm er sich vor: „Sobald meine Füße gesund sind, trete ich in den Orden ein.“ Dem Subprior des Reichenbacher Konvents, Frater Eligius Neumeier, gelang es, die Fußwunde, die vom Sturz während der Lehrzeit herrührte, zu heilen. Joseph Kugler setzte sein Vorhaben um und trat am 11. Januar 1893 als Kandidat in den Orden der Barmherzigen Brüder ein.

Der junge Joseph Kugler betet in der Reichenbacher Klosterkirche vor – Szene aus dem Musikspiel „erdverbunden – himmelsnah“

Geschrieben am 6. Mai 2021
von Frater Magnus Morhardt

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